Druckerei
Einführung
Auf den zweiten Blick
Archivnachrichten 01/2017 (Seite 32-34)
Verzeichnis
Liste
Details
Titelblätter
Erläuterungen
Literaturliste
1557-1597
Die Anfänge
Streiter für den rechten Glauben
Zensur und Kontrolle
Produktion mit nur einer Presse
Halbjährliche Messzeitungen
Der Übergang zum Nachfolger
1598-1606
Geschlossene Gesellschaft
Bildung und Wissenschaft sind zu fördern
Auf Expansionskurs
Von Cöln nach Ursel? Ein Druckort wandert!
Zurück zum rechten Glauben
Der unfreiwillige Auszug
1607-1623
Auswertung der Druckvermerke: Personen
Auswertung der Druckvermerke: Orte
Im Zeichen der Gegenreformation
Noch einmal: Messzeitungen
In Schutt und Asche
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Auswertung der Druckvermerke: Orte
„Ursel“ für die deutschsprachigen und „Ursellis“ für die Drucke in Latein sind selbstverständlich auch in den letzten Jahren der Druckerei die regelmäßigen Ortsangaben im Druckvermerk. Einige Veränderungen fallen jedoch auf.
Von den 55 nachgewiesenen Drucken finden wir bei 23 Erweiterungen wie „In Archiepiscopatu Moguntinensi“ oder „im Erzstifft Mayntz“. Dahinter steht nicht nur der Wunsch, den Ort genauer zu lokalisieren. Es wird auch die Übereinstimmung mit der Religionspolitik des erzbischöflichen Landesherren vermittelt.
So, wie bei den Personennamen die Verleger nach und nach Vorrangstellung vor den Druckern einnehmen, so auch bei den Ortsangaben die Hinweise auf die Verlagsorte. Bezüge zu Köln (10x), zu Frankfurt (11x), zu Antwerpen (5x) und zu Mainz (1x) werden genannt. Für Köln steht besonders Anton Hierat, der nicht nur 16, teils sehr umfangreiche Aufträge an die Urseler Druckerei vergibt, sondern auch durch den Kauf der Urseler Papiermühle zeigt, dass seine Planungen über das Tagesgeschäft hinausreichen.
Außergewöhnlich ist die Verlegung von UD 512Z: Bei identischem Textteil, der durch das Kolophon als in Ursel durch Balthasar Lipp gedruckt ausgewiesen wird, erscheinen Anton Hierat (hier mit „Mainz“ lokalisiert) und Johannes Keerberger in Antwerpen als Verleger, je für einen Teil der Gesamtauflage. Nur die verschiedenen Verlagsangaben auf dem Titelblatt weisen auf diese Besonderheit hin. Als Belege können die „Opera Omnia“ des Petrus Berchorius (französischer Theologe, 1290-1362) in einem Exemplar in der British Library; London, (Hierat) und in der Universitätsbibliothek Sevilla (Keerberger) angeführt werden. Die drei Foliobände sind mit 684 bedruckten Bogen das umfangreichste Werk, das in Ursel gedruckt wurde. Es übersteigt deutlich die durchschnittliche Jahresproduktion zu Zeiten des Nicolaus Henricus.
Die Verbindung zum nahen Frankfurt zeigt UD 518Z: Johann Theobald Schönwetter verlegt ein Werk des Schweizer Juristen Johann Babe und Wendel Meckel druckt es in Ursel. Dieser Ortsname wird nicht genannt, aber der Signet von Junghen/Meckel und das Wort „Typis“ weisen eindeutig Ursel aus. Nur der Verlagsort „Francofurti“ wird aber genannt.
Der Druckort erscheint auf dem ersten Druck des Urseler Wendel Meckel (UD 518Z) nur indirekt, im Signet und in der Zuweisung „Typis“. Verleger und Verlagsort stehen im Vordergrund. Rechts: Einer der ersten Stadtansichten um 1630 von Eberhard Kieser zeigt ein überschaubares Städtchen am Taunusrand (privat).
Auch in seinen späteren Messzeitungen wählt Meckel für einen Teil der Auflage den Vermerk „In Franckfurt zu finden“ statt „Ursel“. Der Name der berühmten Messestadt war für den Verkauf wirksamer, als der des „kleinen“ Ursel.
Zwei Drucke, UD 405 (1611) und UD 406 (1616), beide ohne Verfasserangaben, müssen im Blick auf den Druckort gesondert beurteilt werden. Sie werden traditionell als Nachweis dafür betrachtet, dass die Druckerei auch zwischen 1610 und 1616 in Betrieb war. Schon die Vorstellung, dass 3 ½ bedruckte Bogen in sieben Jahren ein ausreichender Beleg sind, ist falsch. Außerdem ist „Ursel“ nicht der Druckort.
UD 405 ist eine Streitschrift zu einem Vorfall an der Universität Rostock: Der Student Johan Christoph Castritius war wegen Diebstahls zum Tode verurteilt und am 24. Oktober 1611 gehängt worden. Zu grundsätzlichen Rechtsfragen und zur Härte des Urteils war ein Streit zwischen Universität und Rat entstanden, an dessen Beginn die „Relation“ steht. Der Druckvermerk sagt „Gedruckt zu Ursell Im Jahr 1611“. Der Verdacht einer fingierten Angabe liegt nahe.
Was offensichtlich so klar auf dem Titelblatt von UD 518Z festgestellt wird, „Gedruckt zu Ursell“, ist eine gezielte Irreführung des Rostocker Universitätsdruckers Joachim Fueß (links). In seiner Erwiderung auf die Vorwürfe des (ungenannten) Professors Johann Simonius nennt der Rat der Stadt Verfasser und Drucker (rechts). [aus: „Kurtze Verantwortung“, Rostock, 1612, VD17 1:011997A)
Das Rätsel um Verfasser und tatsächlichen Drucker und Ort löst sich auf in der Antwort des Rates „Eine Erbarn Raths der Stadt Rostock, Kurtze Verantwortung …“, Rostock, 1612. Dort heißt es auf S. A2r: „So haben wir demnach/ und sonderlich/ weil auch jüngster Tagen eine vermeinte Relation eines Nahmlosen Ehrenrürers/ deren datum auß Veronica, und der druck zu Ursell gesetzt/(unangesehen sie von Iohanne Simonio Rhetorices Professore allhie geschmiedet/ und von Jochim Fuessen gedruckt) … weit und breit … herum geschicket worden …“ einen wahren Bericht verfasst. Nun waren Johann Simonius, Rethorikprofessor an der Universität (1594-1625) als Autor und Joachim Fueß als Universitätsdrucker (1611-1634) [Reske, S.871] namentlich bekannt. Warum ausgerechnet „Ursell“ zur Verschleierung des wahren Druckorts gewählt wurde, bleibt offen.
UD 406 hat die Hohe Mark in Oberursel zum Thema. Ein Druckort wird nicht genannt. Dass es Frankfurt war, liegt nahe. Ursel kommt nur infrage, wenn es dort tatsächlich einen funktionierenden Druckereibetrieb gegeben hätte. Dies war aber nicht der Fall.
Schließlich bleibt nur die Feststellung, dass es für die Jahre 1610 - 1616 keinen nachweisbaren Druck aus Ursel gibt. Die Einrichtung lag still. Die Wiederinbetriebnahme erfolgte dann 1617 für die Zeit bis zu den erheblichen Schäden beim Brand 1622.
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